Filme selbst entwickeln
Filme selbst entwickeln
Vorbemerkung
Häufig
finden sich in den einschlägigen Foren für die analoge Fotografie Bemerkungen
wie „einen Film selbst zu entwickeln sei ein Kinderspiel“, ja, aber nur für den
der es kann! Und selbst bei denen die es können passieren immer wieder Fehler,
wie die zahlreichen „Fehler-Diskussionen“ gerade in den Foren zeigen. Wie jede
handwerkliche Tätigkeit bedarf auch das Filmentwickeln Übung, und je mehr ich
übe je besser wird mein Handling, und meine Ergebnisse an sich. Gerade
Neueinsteiger, die mit der digitalen Fotografie aufgewachsen sind, werden mit
Begriffen wie „ein Kinderspiel“ eher frustriert als motiviert! Alleine die
Erkenntnis das ein analoger KB-Film nur 36 (!) aufnahmen zulässt, bedeutet
geradezu einen Quantensprung für einen Digital-Knipser, der doch von jedem
Fotospaziergang mehrere Hundert Aufnahmen mitbringt! Muss er doch schon beim
fotografieren ein hohes Maß an Wissen, Vorbereitung und Disziplin mitbringen,
was nicht unberechtigt als Entschleunigung beim Fotografieren beschrieben wird.
Adäquat gilt das auch für die Arbeit in der Dunkelkammer, darüber hinaus
erwächst sehr schnell die Erkenntnis das jede analoge Aufnahme Geld kostet!
Alleine diese Wahrheiten sollten eine gewisse Akzeptanz zur Binsenwahrheit das
„noch kein Meister vom Himmel gefallen ist“ erzeugen. Trotzdem, oder gerade
deshalb, macht die analoge Fotografie und das Selbstentwickeln so viel Spaß!
Motivation
allgemein
Warum
(wieder) Filme selbst entwickeln in einer Zeit, wo die Digitalfotografie alles
hinsichtlich Handling und erzielbare Abbildungsqualität bisher bekannte, und
erst recht das Mögliche in der analogen Fotografie, in den Schatten stellt; und
das sowohl vom Zeitaufwand als auch den Kosten her! Diese Frage stellt sich
zumindest für alle Aktivitäten mit den Filmformaten KB und 120er Rollfilm. Diesen
Tatsachen zum Trotz konstatieren die (Fach-) Medien inzwischen sogar einen Boom
der analogen Fotografie, meist mit dem Hinweis auf „Entschleunigung“.
Wenn man
sich zu dieser Frage im Web auf den einschlägigen Plattformen umsieht reichen
die Antworten oder Erklärungen von „Das Alte bewahren und pflegen“ bis zu „Früher
war eh alles besser“. Die Beschäftigung mit der analogen Fotografie reicht vom
Sammeln alter Fotohardware, über das Sammeln alter (original) Fotografien bis
hin zum aktiven Umgang mit analoger Fotografie.
In dem
Bereich des aktiven Umgangs mit der analogen Fotografie findet sich dann auch
ein sehr breites Spektrum der individuellen Interessenslagen wieder. Sehr
häufig findet man Kamerasammler die mit ihren Sammelobjekten eben auch fotografieren
wollen, und zwar mit allen Filmformaten die heute noch oder wieder erhältlich
sind, einschließlich selbstbeschichteter Fotoplatten. Da hier die Möglichkeit
Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können naturgemäß eingeschränkt, und
wenn möglich, oft teuer sind, bietet sich das selbst entwickeln, sowohl der
Filme als auch das Ausbelichten der Fotos, geradezu an. Allerdings hat nicht
jeder auch eine Dunkelkammer (für die Prints) zur Verfügung, so dass sich inzwischen
auch die hybride Verarbeitung breit etabliert hat. Darüber hinaus bleibt die Digitalisierung
für die Kommunikation im Internet die einzige Möglichkeit, dort die Fotos, um
die es je letztendlich geht, zu zeigen. Überwiegend sehen wir also im Netz
digitalisierte Negative, die mittels einer Bildbearbeitungssoftware zu Bildern
wurden.
Meine
persönliche Motivation
Da ich
auch wieder ab und zu meine noch vorhandene Nikon F100 einsetzen möchte,
hauptsächlich mit hochauflösenden SW-Filmen, die ich dann auch selbst
entwickle, stellte sich auch mir die Frage wie ich einen einfachen und
kostengünstigen Hybrid-Workflow sicherstellen kann, da der Neuaufbau einer
kompletten Dunkelkammer aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kommt. Nach
einem umfangreichen Test den ich für das NF-Forum (https://www.nikon-fotografie.de/vbulletin/private.php) geschrieben habe, war
klar, dass das digitalisieren mit der KB-DSLR für meine Aufgabenstellung
qualitativ die Beste, und dazu noch die kostengünstigste Lösung
darstellte! Vor der Digitalisierung
kommt natürlich die Entwicklung der Filme, möglichst in einer optimalen
Qualität!
Der
Wiedereinstieg
Da ich
mit der analogen Fotografie groß geworden bin, ist mir natürlich der Workflow
der Filmentwicklung und das Ausbelichten der Bilder, sowohl in SW als auch in
Farbe, gut bekannt. Meine eigene Dunkelkammer habe ich allerdings schon 1989
aufgelöst und in Kartons eingelagert. Gut zehn Jahre später habe ich die
Gerätschaften, bis auf den Teil zur Filmentwicklung, endgültig verkauft. Seit
dieser Zeit habe ich mich auch nicht mehr mit der Weiterentwicklung der
SW-Materialien beschäftigt. Den Übergang von der analogen zur digitalen
Fotografie habe ich dann ausschließlich in Farbe miterlebt. Meine letzte
Analogkamera, eine Nikon F100, habe ich im Jahr 2000 angeschafft.
Das ist im Grunde das was man zur Filmentwicklung benötigt. Die abgebildete Jobo-Dose ist noch meine erste von 1972. Dazu kommen noch einige Kleinigkeiten wie Stopp-Uhr, Schere, Negativhüllen usw.
Nach dem
Entschluss auch wieder analog zu fotografieren, wenn auch nur SW, war klar das
ich mich erst einmal gründlich über das heute erhältliche Filmmaterial und der
dazugehörigen Chemie informieren musste. Früher habe ich fast ausschließlich
mit Ilford-Filmen und -Chemie gearbeitet. Daneben kamen auch, weil sehr preisgünstig,
Orwo-Filme zum Einsatz. Eher selten habe ich Kodak-SW-Material verwendet. Neben
den Ilford-Entwicklern kam ab zu Ultrafin und D76 zum Einsatz. Die Ilford-Delta
und Kodak-Tmax-Emulsionen kannte ich in der Selbstentwickel-Praxis noch gar
nicht, da diese Filme erst später auf den Markt kamen. Sehr schnell wurde mir
klar, dass auch die alten, mir bekannten Ilford-Emulsionen (PANF, FP4 und HP5) nicht
mehr erhältlich waren und durch Weiterentwicklungen ersetzt wurden. Dafür gab
es Filme (Fomapan, Kentmere, Lomo, Adox neu, Agfa New, Agfa APX usw.) die ich in
der Praxis noch gar nicht kannte. Bei den Chemikalien gab es die altbekannten
Kandidaten dagegen meist noch. Mir war nun klar dass ich mich hinsichtlich der
Verarbeitung der Filme wieder neu einarbeiten musste.
Alle Utensilien sindgriffbereit...
...in den Stapelkisten untergebracht.
Wenn ich Filme entwickeln möchte, rolle ich den Kistenstapel in die Küche neben die Spüle...
Baue die alles entsprechend auf...
...und kann Loslegen. Die große Laborschale ist sehr praktisch wenn ml ein Tropfen daneben geht!
Um
möglichst schnell und zu vertretbaren Kosten zu optimalen Ergebnissen zu gelangen,
musste ich als erstes die Hardware „Kalibrieren“. Das heißt im ersten Schritt
den kameraeigenen Belichtungsmesser überprüfen, denn wenn die Kamera falsch
belichtete könnte ich die entwickelten Filme im Ergebnis nicht wirklich
beurteilen. Daher habe ich die Belichtungsergebnisse der F100 sowohl mit einem
Handbelichtungsmesser (Gossen Variosix F2) als auch mit einer digitalen Kamera
(Nikon D750) verglichen. Kamera zu Kamera natürlich mit dem gleichen Objektiv.
Das Ergebnis war sehr zufriedenstellend: die Belichtungsmessung der F100
stimmte auch nach 19 Jahren noch auf den Punkt!
Auf Grund
meiner langen Erfahrungen im Fotolabor war mir klar, dass ich eine Lösung für
das Trocknen der Filme finden musste, da die Trocknung über der Badewanne oder
in der Duschkabine aus Qualitätsgründen nicht in Frage kam. Vor allen deshalb,
weil für das Digitalisieren, ob mittels Scanner oder Digitalkamera, eine
optimale Planheit der Filme notwendig ist. Da das Angebot für Trockenschränke
auf dem Gebrauchtmarkt sehr bescheiden ist, und dazu noch horrende Preise
aufgerufen werden, kam die Idee auf einen Trockenschrank im Eigenbau
anzufertigen (hier der Link zur Bauanleitung: http://synapsenflimmern.blogspot.com/2020/04/film-trockenschrank-im-eigenbau.html ), der in der Praxis tatsächlich
von Anfang an hervorragend funktionierte.
Nach dem
die technischen Voraussetzungen, sowohl kameraseitig als auch durch den
Eigenbau-Trockenschrank gegeben waren, konnte ich mir nun Gedanken zum
Filmmaterial machen. Bei meiner Recherche im Netz fand ich zahlreiche
Anleitungen zum „Eintesten“ von Filmen. Oftmals sehr fundiert, manchmal fast
schon wissenschaftlich, und immer scheinbar akribisch. Beim zweiten Blick aber
auch oft fragwürdig, da scheinbar abgeschrieben oder nur in etwas anderer
Formulierung wiederholt – es grüßt die Echokammer! Ein grundsätzliches Problem
bei diesen „Anleitungen“ ist für mich, dass hier meist der Weg das Ziel ist.
Wer derartige Vorgehensweise mag findet hier ein fast unendliches
Betätigungsfeld, allerdings ist das nichts für mich, mich interessiert das Bild
und nicht die Analyse der Entwicklung der Fotochemie! Schon zu meinen Zeiten als
ich noch Fotokurse gegeben habe galt der Grundsatz: Wir arbeiten grundsätzlich
erst einmal nach den Vorgaben der Hersteller, betrachten die Ergebnisse, und
passten den Entwicklungsprozess dann individuell an.
Trockenschrank Meine Mobile-Dunkelkammer
Da meine Vorgehensweise
auch in der Fotografie immer schon Ergebnisorientiert war, ging es mir in den ersten
Tests darum, die neuen Filmtypen erst einmal quer zu testen, um eine Standardauswahl
an Filmtypen für die zukünftige Analogfotografie zu treffen. Bestellt bzw.
gekauft habe ich dann folgende Filme: Agfa APX 100 und 400, Ilford PANFplus,
FP4plus, und von den neuen Flachkristall-Typen den Kodak TMAX400 und Ilford
DELTA 400 und 3200. Da ich nicht auf meine alten Aufzeichnungen hinsichtlich
Filmtyp/Entwickler/Entwicklungszeiten zurückgreifen konnte, kam ich um diesen kleinen
Feldtest nicht umhin, um möglichst schnell zu einem Workflow zu kommen, der mir
die gewünschten Ergebnisse bringen würde.
Auch ein Wasserbad mit Heizung und Umwälzpumpe findet in dem kleinen Tower Platz.
Für den
ersten Durchlauf kamen dann zwei Agfa APX 100 zum Einsatz, als Entwickler
Ilfosol S (1+9), als Fixierer Adofix Pll, und als Netzmittel Spüli ohne
Zusätze. Entwickelt wurde nach Datenblatt bei 20º C, und Agitation nach meiner
eigenen bewährten Methode: die ersten 30 Sek. kontinuierlich, danach alle 30
Sek. zweimal kippen. Parallel zu meinen KB-Aufnahmen belichtete ein Fotofreund
zwei Ilford FP4plus 120er Rollfilme für das Format 6x7, die dann ebenfalls bei
unserer ersten Entwicklungs-Session verarbeitet wurden. Die jeweils zwei identischen
Filme wurden dann mit unterschiedlicher Entwicklungszeit (6 + 8 Min.) ausentwickelt.
Das Ergebnis wurde dann auf dem Leuchttisch mit einer Lupe überprüft und
bewertet, und die Daten notiert. Hier möchte ich noch darauf hinweisen, das
eine sorgfältige Dokumentation der Grundstein für reproduzierbare Ergebnisse
bildet. Insgesamt war das Ergebnis für das erste Mal wieder nach über 30 Jahren
gut. Auch das Einspulen in die Jobo-Dosen gelang mir sofort wieder ohne große
Probleme, lediglich das Rausholen des Filmanfangs aus der Patrone um ihn
halbrund abzuschneiden funktionierte nicht so wie früher.
Dieser
Prozedur musste sich dann noch im KB-Bereich der Agfa APX 400, der Ilford
FP4plus, der Kodak TMAX 400 und der Ilford DELTA 400 unterziehen. Sehr gut
haben mir die beiden „neuen“, der Kodak und der Delta gefallen, da sie etwas
knackiger daherkommen. Was einen nach jahrelanger Erfahrung mit der digitalen
Fotografiererei und den daher gewohnten Kontrasten nicht überraschen sollte.
Für das Eintesten neuer Filmtypen kann man, sofern man sich sicher ist das die
Belichtungsmessung funktioniert, auch einen Film mit z.B. drei
unterschiedlichen ISO-Einstellungen (für jeweils 12 Aufnahmen) belichten. Das
spart Kosten und geht etwas schneller!
Inzwischen,
sechs Monate später, nach dem ich wieder etwas eingeschossen habe, habe ich mir
nun auch eine Entwicklungs-App zugelegt. Ich habe mich für „Darkroom
Solutions“ entschieden, und muss sagen das die App einen sehr guten Eindruck
macht. Was ich anhand meiner Aufzeichnungen im Vergleich mit den Vorschlägen
der App ebenfalls feststellen konnte, war die Tatsache, dass ich auch zu Fuß
auf dem richtigen Weg war!
Hier
noch einmal einige Tipps für den Einsteiger:
Das
Handling mit der Entwicklerdose, wie das Einspulen, bei Licht mit einem alten
Film üben!
Mit einem
Filmtyp/Marke beginnen.
Film
möglichst nach Herstellerangaben entwickeln.
Wenn
möglich mit einem fertig gemischten (Flüssig-) Entwickler beginnen.
Erst zum
nächsten Filmtyp übergehen, wenn man reproduzierbare Ergebnisse erzielt hat!
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