Der Mythos vom guten Foto
Der
Mythos vom guten Foto
Was
macht eigentlich ein Foto zu einem guten Foto?
Vor dem
Hintergrund der neuerlich hier geführten Diskussion ob ein bestimmtes Foto ein
gutes Foto ist, und wer das eigentlich bestimmt, habe ich mir mal einige
Gedanken zu der Thematik gemacht. Ob ein Foto, Bild oder anderes Kunstwerk gut
oder schlecht ist, ist in erster Linie eine Bewertung. Eine objektive
Bewertung, wenn es sowas überhaupt geben kann, setzt einen allgemeingültigen
Maßstab voraus, der für alle (Bild-)Bewertungen gleich gelten muss. Da alle
Bewertungen sprachlich, entweder gesprochen oder in Schriftform, stattfinden,
vorab einige Anmerkungen zur Sprache.
Die
Welt entsteht in unseren Köpfen
Für jeden
Menschen entsteht die Welt individuell in seinem Kopf, durch das was wir
allgemeinhin als Geist bezeichnen. Dies bedeutet aber auch, dass jeder Mensch
die Welt auf seine eigene Weise wahrnimmt, und, ganz wichtig, dass wir in
Bildern denken! Diese individuelle Wahrnehmung liegt begründet in dem was wir
mit „Sozialisation“ (erlebte und erfahrenen Bilder) beschreiben. Um diese
Eindrücke, die unser Geist beständig hervorbringt, anderen Menschen mitteilen
zu können bedarf es zur Kommunikation Sprache. Um die Bilder im Kopf zu
beschreiben muss der Mensch seine individuelle Bildsprache in eine erlernte
(Mutter)Sprache übersetzen. Diese kann man dann bei Bedarf in andere Sprachen
übersetzen, wobei das nicht immer so einfach ist. Wenn man in Deutschland
geboren und aufgewachsen ist, denkt man natürlich auch in den tradierten
Erfahrungen dieser Gesellschaft. Auch wenn man im Ausland lebt, denkt das
Gehirn in Deutsch! Das bedeutet nichts anderes, dass jede Sprache seine
eigenen, tradierten Regeln hat. Eine Ausnahme bildet z.B. die Mathematik, deren
Bildsprache (Formeln) hat in allen Ländern die gleiche Bedeutung.
Für die
Bewertung und/oder die Beschreibung eines Fotos ist ein vor diesem Hintergrund
ein komplexer Vorgang erforderlich: die Bildsprache des jeweiligen Gehirns muss
mehrfach übersetzt werden. Da aber nicht jeder Mitmensch die gleiche
Sozialisation durchlebt, gibt es häufig „Übersetzungsfehler“, die sich darin
äußern das mein Gegenüber u.U. nicht wirklich versteht was ich meine. Deshalb
ist, bzw. kann jede Bewertung nur Geschmacksache sein. Natürlich gibt es in der
Gesellschaft verschiedene Diskurse die sich mit Kunst, Bildsprache und
ähnlichen Kontexten auseinandersetzen, so dass es in verschiedenen Bereichen
eine verabredeten (in der Ausbildung) vermittelten Code gibt. Innerhalb dieser
„wissenden“ sind dann manchmal konstruktive Diskussionen über Bilder möglich.
Dieser,
zugegeben, sehr verkürzte Ausflug in das Thema „Sehen und Sprache“ schafft aber
hoffentlich eine Basis für den sehr einfachen und pragmatischen Standpunkt:
entweder gefällt mir eine Bild oder nicht!
Es gibt
natürlich einige Kriterien die uns bei der Bildbetrachtung und Bewertung helfen
können. Da wäre die technische Umsetzung, der Codec der (einer) Bildgestaltung,
oder die Idee zum Bild. Darüber hinaus erfüllen Bilder in verschiedenen
Kontexten wichtige Aufgaben.
Die
technische Umsetzung
Ein
einfacher Maßstab kann, auf Grund der Abhängigkeit von Technik den die
Fotografie heute hat (und schon immer hatte), die technische Umsetzung eines
Bildes sein. Hier gibt es verschiedenen Bewertungskriterien wie Schärfe,
Kontrast, Rauschen oder Farbtreue usw., die zumindest die handwerkliche
Qualität einer Fotoausarbeitung aufzeigen können. Anders ausgedrückt: das
Vermeiden von Fehlern bei der Aufnahme und der Wiedergabe/Ausarbeitung führt zu
einer guten technischen Qualität – immer bezogen auf den historischen Kontext.
Bildgestaltung
als Code
Ein Code
kann nur entziffert werden, wenn die Beteiligten dessen
„Verschlüsselungsmethode“ kennen. Es gibt also Regeln, die den Code, z.B. die
Bildsprache, beschreiben. Die Bekanntesten sind wohl der goldene Schnitt,
Linienstrukturen oder die Anordnung der Bildelemente. Mit diesen Regeln kann
der Fotograf den Blick des Betrachters passiv lenken, so dass der Betrachter,
wenn er die Regeln ebenfalls kennt, das Bild leichter lesen kann. Über die
Qualität eines Bildes sagt das aber nichts aus! Viele berühmte Bilder
entsprechen diesen Codes aus verschiedenen Gründen nicht. Entweder weil der
Fotograf ihn ignoriert hat, ihn gar nicht kannte, oder weil er ihn absichtlich
gebrochen hat. Der Regelbruch, bzw. das abweichen vom Code ist eben auch ein
beliebtes Stilmittel um ein Foto aus der Masse herausragen zu lassen.
Die
Idee
Persönlich
mag ich die gute Idee als Grundlage für ein Foto, allerdings erwarte ich dann
auch eine gute technische Umsetzung. Das gilt besonders für die Aufnahme. Ziel
sollte sein die Bildbearbeitung nach der Aufnahme auf das Notwendige zu
beschränken. Natürlich kann es auch gute Ideen für eine umfangreiche
Bildbearbeitung geben, dann sollte man aber ehrlicherweise von „Composing“
reden, die Fotografie bildet dann nur ein Teil des künstlerischen Prozesses.
Für die „gute Idee“ gilt aber auch: alles ist Geschmacksache und über Geschmack
lässt sich bekanntlich nicht streiten!
Über die
Frage wann Fotografie Kunst ist oder werden kann, möchte ich mich hier jetzt
nicht weiter auslassen, aber eventuell ist Fotografie ja Kunst, wenn ein Foto
von einer Kartoffel für eine Million Dollar verkauft wird? Zumindest ist es
dann eine gute „Verkaufskunst“!
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